MIND CONTROL – MEHR ALS EINE KLETTERROUTE

Story | Im Herzen Kataloniens liegt Oliana. Die Kalkwand über dem namensgebenden Dorf in den Vorpyrenäen zieht Kletterbegeisterte aus aller Welt an. Der Kletter-Hotspot beherbergt einige der schwierigsten und berühmtesten Kletterrouten.Auch Chris Frick ist in Olianas Bann gezogen worden. Aber er verfolgt eine andere Mission als seine Gleichgesinnten – Chris saniert Kletterrouten. Sein Projekt: die Sanierung der ikonischen Route Mind Control. Eine Herzensangelegenheit, die eine verheerende Wendung nahm.

Am 6. Januar 2022 schreibt Chris Frick eine E-Mail an Mammut. Es geht um eine Herzenssache: die Sanierung der Route Mind Control in Oliana, Spanien. Dafür benötigt er Material wie Bohrhaken, fixe Expressschlingen und vieles mehr. Sein Projekt stösst bei Mammut sofort auf Begeisterung. Wie für Chris ist es auch Mammut wichtig, allen möglichst sichere Klettererlebnisse zu ermöglichen und dazu beizutragen, dass ikonische Routen wie Mind Control zugänglich und erhalten bleiben. ​ 

Nur wenige Wochen später steigt Chris ausgestattet mit dem nötigen Material das erste Mal in Oliana in die Wand. Vier Tage verbringt er vertikal in seinem Klettergurt und fokussiert sich voll und ganz auf die Sanierung der weltberühmten Route Mind Control. Ein Erlebnisbericht aus erster Hand: ​ 

In Schwarz, verschiedenen Graustufen, gar in Weiss und Maroni ziehen Streifen über die Riesenwelle aus Kalk. Das Wechselspiel aus Wasser und Sonne hat ein Meer aus Versinterungen (Kalkablagerungen) geschaffen. Kunstvoll reichen diese von feinsten Verästelungen bis zum prachtvollen Sinter. Die Tiefe wirkt wie ein Sog. Diese Leere, gepaart mit Licht und Schatten, gestaltet einen scheinbar unendlichen Raum. Atemberaubend der Anblick eines sich darin bewegenden Menschen. Grazil, aber auch kraftvoll. Die Dimension der Kletterei kaum zu erfassen. So hatte sich die Fotografie einer Route in Oliana in mein Bewusstsein gebrannt. Es klang wie ein Versprechen. Nach der Erfüllung des Traums von einer perfekten Kletterei.

 

Wenn Traum und Wirklihckeit verschmelzen: Mind Control!
Wenn Traum und Wirklihckeit verschmelzen: Mind Control!

Foto als Inspiration

Das Foto trug den Titel Mind Control. Diese Route – 2009 von Chris Sharma eröffnet – wurde mit Recht zum Klassiker. Sie ist 50 m hoch, ungeheuer ausdauernd und bewegungstechnisch äusserst anspruchsvoll. Die Schwierigkeit um 8c klingt für meine Generation immer noch wie eine Reise zum Mars. Wenn die Chroniken stimmen, dann war die bisher älteste Person zum Zeitpunkt ihrer Begehung von Mind Control 42 Jahre alt. Sind deshalb meine 54 Jahre eine Hypothek? Vor ein paar Jahren fehlten mir der Mut und das Kletterkönnen, um die durch Bilder angeregte Fantasie mit der Realität abzugleichen. Doch die oben beschriebene Fotografie arbeitete unaufhörlich in meiner Kletterseele.

Nehmen und Geben

Noch immer brennt das innere Feuer. Das kunstvolle Bewegungsspiel am natürlichen Fels bleibt meine Kraftquelle, Meditation und Inspiration. Warum sollte ich mich zur Ruhe setzen, wenn ich Träume habe und jetzt denke, ich könnte Mind Control versuchen? Klettern hält mich lebendig und es gibt so viel zu entdecken! Oliana ist eindrucksvoll. Die Atmosphäre am Fels ist auffallend herzlich. Ungeachtet von Können und Herkunft gibt es gegenseitig nur Support. Verbissenheit? Fehlanzeige! Die ideale Basis für ein Projekt wie Mind Control.

Neujahr 2022 endlich ein erster Augenschein. Was für eine Route! Doch die Freude wurde durch den beängstigenden Zustand der Bolts getrübt. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn in den weiten Runouts ein Sicherungspunkt versagt. Es ist meine Philosophie, jenen Klettergebieten, wo ich viel Gutes erfahre, etwas zurückzugeben. Sei es mit Wegebau, Abfälle einsammeln oder Ausrüsten. Sofort war mir klar, dass ich nach Oliana zurückkehren und Mind Control sanieren werde! Chris Sharma, der Einrichter der Route, war sofort damit einverstanden.

Bolter Chris Sharma mit Rebolter Chris Frick
Bolter Chris Sharma mit Rebolter Chris Frick

Ganz allein geht es nicht. Mit Mammut habe ich einen wertvollen und begeisterungsfähigen Partner gefunden. Gemeinsam mit dem Team von Mammut wurde in kurzer Zeit und unkompliziert die Materialliste zusammengestellt. Auch auf meine Sicherheit wurde mit neuem Gear geachtet. Denn in einer überhängenden und diagonal verlaufenden Linie wie Mind Control können zum Beispiel bei Pendeln unerwartete Belastungsspitzen auf Gurt und Seil treffen. Die Beteiligung von Mammut an einem solchen Projekt ist ein starkes und wichtiges Signal für die Klettercommunity!

Erst sanieren, dann klettern

Endlich in Oliana angekommen, ging es noch bis in die Nacht mit der Stirnlampe ans Werk. Ferienzeit ist kostbar. So durfte keine Sekunde verschwendet und die bekannte Route nicht zu lange blockiert werden. Jedoch war der Aufwand grösser als gedacht, obwohl mir lokale Kletterer quasi als Bodencrew wichtige Hilfe leisteten. Weil es sich nicht um irgendeine Route handelte, war das Ziel eine möglichst perfekte Ausführung. Über vier Tage zog sich die Sanierung hin. Danach vermochte ich keinen Finger mehr zu rühren. Deshalb war erst einmal ‘La vida tranquila‘ in der spanischen Sonne angesagt.

Die Route ist nun sicher. Das kann ich bestätigen. Mehr unfreiwillig, aber doch zur Unterhaltung der Oliana-Family, endeten manche Versuche mit einem weiten Sturz. Dank dem Sender-Seil von Mammut hatte ich hierfür das nötige Vertrauen. Bereits kam ich zum berühmten Rollover-Move, einem technisch heiklen Kreuzzug, welcher weit oben die Tür zum finalen Durchstieg markiert. Es ist eine spannende und intensive Zeit. Von überall her erhielt ich Zuspruch, weshalb meine Motivation noch einmal stieg! Zwar konnte ich die Route wegen des akuten Zeitdrucks noch nicht durchsteigen. Viel schlimmer aber wäre eine viel zu späte Erkenntnis, es nie versucht zu haben. Ich würde es so noch einmal tun. Noch gibt es keinen Grund Mind Control aufzugeben. Die Moves und das Ambiente sind perfekt. Die Fotografie erzählte die Wahrheit. Venga! Fuerte! A muerte!

Verheerende Wendung

Kaum ist die Route saniert, erreicht Chris zurück in der Schweiz im Juni die schockierende Nachricht vom Grossbrand in Oliana. Bei seinem Besuch am Mammut Hauptsitz in Seon erzählt er, was das Feuer für die frisch sanierte Route und das Kletterkulturgut Oliana bedeutet. 

Wann hast du das erste Mal vom Brand gehört? ​

Am Sonntagabend, 19. Juni. Ich konnte das Ganze vor allem auf Instagram mitverfolgen. Toni, ein Local, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Klettern in Oliana fotografisch zu dokumentieren, besitzt im nahen Dorf Peramola eine wunderschöne Terrasse mit Blick auf die Wand. Noch bevor das Feuer überhaupt die Wand erreichte, postete er die ersten Videos. 

 

Was haben die Bilder in dir ausgelöst?

Es war grauenvoll mitanzusehen. Vor allem mit dem Wissen, welche Auswirkungen ein Feuer auf den Fels nehmen kann. Erst vier Monate zuvor hatte ich die Route Mind Control saniert. Diese weltbekannte Linie könnte nun für immer verloren gegangen sein. Die ganze Wand ist vergleichbar mit einem berühmten Kunstmuseum. Einige der schönsten und berühmtesten Routen sind dort in einer seltenen Dichte anzutreffen. Paradoxerweise war die Feuerschneise genau so breit wie die Wand. Nicht nur der Routen wegen, sondern auch aufgrund meiner persönlichen Affinität zum Gebiet war es schwierig, Zeuge des Feuers zu sein. Sobald ich Anfang Jahr die Bohrmaschine ansetzte, baute ich eine ganz besondere Verbindung zum Felsen auf. Das Sanieren bringt mich dem Klettergebiet und den Einheimischen näher. 

 

Wie steht es jetzt um den Fels und die Route? 

Klassiker sind verloren gegangen wie Crimptonite, T1 Full Equip, China Crisis und die beliebte namenlose Aufwärmroute im Schwierigkeitsgrad 7a. Die ganze Felsoberfläche ist dort verbrannt. Der Fels bröckelt an der Oberfläche ab und die Bolts sind in einem miserablen Zustand. Es ist nicht mehr sicher, ob dort noch geklettert werden kann. Mind Control hat noch niemand genau untersucht. Ich habe Klebehaken gesetzt. So gut wie alle auf dem Markt erhältlichen Kleber sollten Temperaturen über 100°C aber nicht ausgesetzt werden. Es steht in den Sternen, ob die Route überhaupt noch kletterbar ist. Routen im konkaven Bereich der Wand sind vielleicht nicht so sehr betroffen. Um das zu beurteilen, müsste ein Experte die Haltekraft der Haken testen und den Fels abklopfen, um ihn auf Risse zu untersuchen. Das alles macht bisher aber niemand. 

 

Wäre eine vorübergehende Sperrung der Routen oder ein Warnhinweis sinnvoll? 

Ja. Bis in den kühlen Herbst hinein besteht in Catalunya wegen der Feuergefahr ohnehin ein Betretungsverbot für Wälder. Alle sind zwar für sich selbst verantwortlich, wenn sie in eine Route steigen, teils fehlt aber das Bewusstsein für Sicherheit. Deshalb ist es wichtig auf die Gefahren hinzuweisen. Ich würde hier gerne einen Beitrag leisten, brauche aber eine einzige Ansprechperson für die Koordination der Situation vor Ort. Es geht bei Abklärungen auch darum zu evaluieren, ob das Gebiet noch zu retten ist und herauszufinden, was die Locals wollen. Am besten erscheint ein vorerst freiwilliger Kletterverzicht an der ganzen Wand. 

Zumindest bis zu einer weiteren Sanierung – falls möglich. Gab es spezielle Herausforderungen, als du die Route im Frühjahr saniert hast?

Das Gebiet wurde zwar erst zwischen 2005 und 2009 eingerichtet, aber mit sehr billigen Haken. Der Fels in Oliana ist ein Kunstwerk und Klettern ist für mich Ästhetik. Wenn ich eine so schöne Route mit rostigen Haken sehe, tut mir das in der Seele weh. Solch eine Route verdient die schönsten Expresse und die besten Haken. Um der Route gerecht zu werden, habe ich mir Zeit genommen und sie auf dem höchsten Standard saniert. Klebehaken setzt nicht jeder und nicht jeder arbeitet auf ein optisch schönes Ergebnis hin. Für Mind Control wolle ich aber ein perfektes Resultat. Demensprechend viel investierte ich. Zunächst musste ich die alten Haken rausnehmen – eine Riesenarbeit. Um die neuen Haken zu setzen, galt es genau zu bohren, sauber zu putzen, die richtige Menge an Kleber aufzutragen und das Ganze sorgfältig abzutupfen. 

 

Wie bist du zum Sanieren von Routen gekommen? 

Als Teenager durch Erstbegehungen vor 40 Jahren. Ich habe schnell gemerkt, dass es mir liegt, meinen eigenen Weg zu finden. Es ist für mich ein kreativer Prozess und eine Art mich auszudrücken. Da habe ich eine Zeit lang morgens bis abends gebohrt, bis ich zur Erkenntnis kam: wer bohrt, kann auch sanieren.

 

Was ist dir beim Sanieren besonders wichtig? 

Präzise Arbeit und ein dementsprechend zuverlässiges Resultat. Mir ist die Sicherheit beim Klettern ein grosses Anliegen. Sicherheit ermöglicht Freude am Klettern. Für mich persönlich ist es wichtig, etwas Produktives zu hinterlassen und so andern die Route zu ermöglichen. Auch der soziale Aspekt der Arbeit ist für mich zentral. Das Sanieren weckt bei Kletterern Emotionen, es entstehen Gespräche und daraus manchmal Freundschaften. Hoffentlich auch bald wieder in Oliana. 


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PR Team Mammut

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